Ein leidenschaftlicher Kuss ist oft der erste Schritt zu einer neuen Liebe. Herzklopfen, Schmetterlinge im Bauch und weiche Knie sind dabei bekannte Begleiterscheinungen. Aber bei den zärtlichen Lippenbekenntnissen tut sich noch viel, viel mehr. Darum widmet sich inzwischen sogar ein ganzer Forschungszweig diesem Thema.
Philematologie nennt sich dieses besonders gefühlvolle Gebiet der Wissenschaft. Die Forscher, die sich damit beschäftigen, zerlegen das Mysterium des Küssens in recht nüchterne Bestandteile. Aber auch vom wissenschaftlichen Standpunkt zeigt sich: Der erste Kuss ist entscheidend.
So wild nach Deinem Erdbeermund
In tausenden von Liedern und Gedichten wurden sie besungen, mit süßen Früchten verglichen und in den Himmel gelobt. Dabei sind die Lippen nach Ansicht der Wissenschaftler in erster Linie der Körperteil, der mit den meisten sensorischen Neuronen ausgestattet ist. Kein Wunder also, dass bei der sanften Berührung zweier Münder ein wahres Gefühlsfeuerwerk ausbricht. Zudem vermischt sich beim Kuss der Speichel der beiden Partner. Das klingt zwar nicht sonderlich romantisch, führt aber zu einer chemischen Reaktion, die im Gehirn Euphorie auslöst. Denn das limbische System im Hirnstamm setzt diese sensorische Erfahrung in Lust um.
Du riechst so gut (oder auch nicht)
US-Forscherin Sarah Woodley ist außerdem der Überzeugung, dass die körperliche Nähe, die zwei Küssende unweigerlich eingehen müssen, einen handfesten Zweck verfolgt. Denn nur durch diesen engen Kontakt ist es möglich, Geruch und Geschmack des Partners wahrzunehmen. Und aus diesen wiederum ziehen wir unterbewusst wertvolle Rückschlüsse auf das Immunsystem unseres Gegenübers. Hat der sexy Flirt fiesen Mundgeruch, finden wir ihn– aus der Nähe betrachtet – also mit gutem Grund nicht mehr so anziehend. Denn schlechter Atem kann ein erster Hinweis auf verborgene Krankheiten und Immunschwächen sein.
Küssen macht glücklich
Der erste Kuss dient aber nicht nur der «Vorsorgeuntersuchung». Die Psychologinnen Wendy Hill und Carey Wilson vom Lafayette College in Easton, Pennsylvania haben den Hormonspiegel küssender Paare untersucht und dabei festgestellt, dass Küssen ein echter Stresskiller ist: Bei den knutschenden Männern und Frauen sank der Gehalt des Stresshormons Cortisol im Blut deutlich. Kein Wunder, dass Paare, die einander nach einem anstrengenden Arbeitstag mit einem zärtlichen Schmatzer begrüßen, ausgeglichener sind und womöglich sogar länger leben. Laut Klaus Hartmann vom Bundesforschungsministerium wird beim Küssen außerdem das Glückhormon Serotonin ausgeschüttet, das uns ebenfalls gelassen und ausgeglichen macht.
Lust auf mehr?
Der erste Kuss bringt also den Hormonhaushalt ganz schön durcheinander. Und das anscheinend aus verschiedenen Gründen. Die berühmte Anthropologin Helen Fisher von der Rutgers Universität in New Brunswick hat dazu nämlich eine ganz eigene Theorie. Sie vermutet, dass Männer besonders gerne nass und schlabbrig küssen, weil ihr Speichel Testosteron enthält. Und das steigert die Lust auf Sex. Geht es also wieder einmal nur um «das Eine»? Hill und Wilson halten dagegen. Sie haben bei ihren Forschungen entdeckt, dass beim Küssen der Oxytocin-Spiegel steigt – aber nur bei den Männern! Bei ihren Kusspartnerinnen sank der Oxytocin-Spiegel sogar ab.
Der kleine Unterschied
Oxytocin, auch bekannt als «Kuschelhormon», wirkt beruhigend und befriedigend. Es ist vor allem bei verliebten Paaren in hoher Konzentration vorhanden. Das positive Gefühl, das es auslöst, schweißt zwei Menschen zusammen und festigt so die Beziehung. Bei Männern dient also schon der erste Kuss dazu, sie an eine Partnerin zu binden – zumindest vorübergehend. Frauen dagegen brauchen mehr als nur eine Knutscherei, um sich ihrem Partner verbunden zu fühlen. Ist es aber soweit, bleibt für Frauen das Küssen in der Partnerschaft dauerhaft wichtig. Männer hingegen verlieren die Lust am Zungenspiel und setzen Küsse in einer dauerhaften Beziehung eher als gezielten Liebesbeweis ein, etwa um einen Streit zu beenden.